Hanshofen - Kleiner Ort, große Geschichte

Fotos: Corinna Eichberger-Renneisen, Text: Petra Neumaier (Magazin GUSTL)

 

Versteckt auf Waldlichtungen, verschlafen in einsamen Tälern und auf weiten Ebenen: Die Weiler und winzigen Dörfer im Landkreis sind so hübsch und friedlich, dass man hier glatt den Rest der Welt vergessen möchte. Dennoch sind sie den meisten weitgehend unbekannt. GUSTL besucht diese kleinen „Oasen“ und stellt ihre Geschichte und ihre Menschen vor. Hanshofen,  der 20-Seelen-Weiler!

 

 

hanshofenDie meisten Pferde stehen schon auf der Koppel, wenn die Sonne über Hanshofen aufgeht und sich ihre flachen Strahlen auf den Wiesen spiegeln. Dann ziehen bedächtig auch die Kühe auf die Weide – bis zum Abend und von April bis Oktober dürfen sie sich an den saftigen Gräsern laben und frische Luft atmen. Innozenz Näßl liebt den beginnenden Tag. Und den Blick. Über die friedlichen Tiere hinweg und über die weite Ebene hinaus. Bis zum Horizont, wo die Silhouette von Herrnzell Himmel und Erde teilt. Aus dem nahen Wald ruft ein Kuckuck. Würzig ist der Duft von Heu, Pferden, Wiesen und Tannen … „Freilich leben wir gerne hier“, sagt Innozenz Näßl auch im Namen seiner Nachbarn und schmunzelt, „sonst würden wir ja nicht bleiben.“

 

 

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Ein sehr sympathisches Paar: Innozenz Näßl und seine Lebensgefährtin Elisabeth Mayr, die sich auch hervorragend mit der Geschichte der Kirche auskennt. Seit fünf Jahren lebt die Frauenriederin (bei Miesbach), die im Spielberger Seniorenheim begeistert bei der Betreuung assistiert, in Hanshofen und wenn sie die Berge vermisst, führt ihr Partner sie hinauf auf eine Anhöhe bei Hattenhofen oder Günzlhofen: „Bei Föhn sieht man die Berge so gut, dass man die Skifahrer erkennen kann“, erzählt sie und strahlt.

 

 

 

 

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Schmal bis einspurig sind die Straßen nach Hanshofen, die in unbefestigte Wege münden:   „Ringstraße“, „Vogacher Weg“ und „Herrnzeller Weg“ heißen sie. Drei Höfe, eine Handvoll Ställe, Nebengebäude und Wohnhäuser, eine kleine Kirche. Mehr ist hier nicht. Mehr braucht es auch nicht. Innozenz Näßl ist in Hanshofen geboren, wie sein Vater, der Großvater und dessen Vater ... Um 1835 kam seine Familie auf den Weiler. Zu einer Zeit, als zumindest im neuen Buch von Toni Drexler über den „Schwaben-Girgl“  Hanshofen als „elendiger Ort“ beschrieben wird. Jetzt ist er nicht nur für passionierte Reiter ein Paradies. Auch Spaziergänger und Radler erholen sich hier in der herrlichen Natur!

 

Die Hausnamen der drei Anwesen, deren es früher vier gab, existieren noch: „Kistler“ heißt der Hof der Familie Klingl, die hier weithin bekannte Spielgeräte aus Naturholz baut und verkauft, „Niedermeir“ der der Landwirte Liebert und Bramberger, die ihren Kühen frische Luft gönnen, „Haberbauer“, der von der Familie Näßl.

Natürlich kennt hier jeder jeden. Und wenn es ein Problem gibt, ist jeder für jeden da. Wie, als mal ein Pferd im Misthaufen stecken blieb und der Nachbar es ruckzuck mit dem Lader herausheben konnte. Weite Wege zum Einkaufen? Innozenz Näßl winkt ab. „I wo“, sagt er dann, „Mammendorf und Althegnenberg sind nur zehn Minuten mit dem Auto weg, eine halbe Stunde ist es bis nach Augsburg.“ Ein Katzensprung!

 

Traditionell werden in der Familie Näßl seit 1882 alle männlichen, ersten Nachkommen Innozenz genannt. 1983 übernahm der Jetzige nach dem Tod des Vaters die Landwirtschaft, die damals noch Milchkühe hatte. Begeistert von einer Westernreit-Show 1980 in München, begann er selbst den Aufbau eines weithin bekannten Reiterdomizils: Tashina Haila.

 

Dieser Reiterhof ist auch das Erste, was beim Besuch des Weilers ins Auge fällt. Denn wie eine Fata Morgana schmiegt sie sich in die Ebene: Gepflegte Gebäude mit Cowboy-Gemälde an einer Mauer, ein weißes Tor mit Pferdeköpfen und Hufeisen, Westernstadt-ähnliche Holzboxen für die Pferde. Außerdem zwei Reithallen - eine dritte wird im Frühjahr fertiggestellt. Um den Reitplatz wehen internationale Landesflaggen, dahinter und neben dran sind große Koppeln auf frischen Wiesen. Ein Traum für die derzeit 75 Pferde und ihre Besitzer. Und ein Traum für den Betreiber, den er zunächst als reinen Westernreiterbetrieb aufbaute: Innozenz Näßl wurde 1991 zum besten Quarter Horse-Züchter in Deutschland gekürt!

 

Hanshofen2Ins Auge fällt in Hanshofen aber natürlich auch das Kirchlein (siehe auch Kasten). Warum es für einen kleinen Weiler doch recht stattlich ist, davon berichtet eine Legende, die die Ortsansässigen heute noch gerne erzählen. So sollte eigentlich zeitgleich in dem größeren Längenmoos eine Kirche und in dem kleineren Hanshofen lediglich eine Kapelle gebaut werden. „In einer Nacht, als bereits die Steine angeliefert worden waren, schlichen sich jedoch die Knechte und Mägde von Hanshofen hinüber nach Längenmoos und auf einmal hatte Hanshofen mehr Baumaterial.“ So, so!

 

Um in die Kirche zu gelangen, braucht es gleich drei Schlüssel. Seit November 2021 hat die  Familie Näßl den schweren Bund: alle drei Jahre - das ist Tradition - wechselt nämlich unter den Hanshofenern der Mesnerdienst. Zunächst schließt Innozenz Näßl das schmiedeeiserne Tor auf, das seine Mutter vom Enkel, Uli Gail aus Hinterheimat (bei Dasing), 1997 als Geburtstagsgeschenk bekam, „damit sich beim Lüften keine Katze in der Kirche versteckt.“ Dann kommt das Sicherheitsschloss dran und schließlich der riesige Schlüssel, ein richtiges Original. Der Anblick der hübschen Decken- und Wandmalereien mit ihren zarten Farben, die fünf Kirchenbänkchen und der Altar mit den schönen Heiligenfiguren (Katharina und Barbara) sind entzückend. Leider nur zweimal im Jahr finden Gottesdienste statt: Zur Maiandacht am Vatertag und am 25. November, dem Namenstag der Heiligen Katharina. Ab und zu wird auch getauft; stirbt ein Hanshofener, läutet die Glocke. Das 14 Meter lange Seil hängt hinter dem Altar, wo sich auch eine winzige, fast Puppenstuben-ähnliche Sakristei versteckt.  

 

So idyllisch es in Hanshofen auch ist, so bestimmt harte Arbeit doch den Alltag: Zeit seines 65-jährigen Lebens beginnt bei Innozenz Näßl jeder Tag um 4.30 Uhr („wenn ich gegen 7 Uhr zum Frühstück ins Haus gehe, hab ich schon 14 000 Schritte hinter mir“) und endet spät. Gar nicht gern erinnert er sich sogar an seine Kinder- und Jugendzeit. Zu Fuß musste er in die zwei Kilometer entfernte Grundschule nach Günzlhofen laufen, vorher war hier noch um 7 Uhr Gottesdienst.  „Und wehe, man kam zu spät oder vergaß auf der Straße, den Pfarrer zu begrüßen“, erzählt er und macht eine eindeutige Handbewegung. Sein Rektor war damals übrigens Hermann Well – jener war auch öfter auf dem Hof zu Besuch, denn die Mutter wusste viele alt-bayerische Worte, die der Schriftsteller sammelte.

  

Innozenz Näßl, seit 2010 Vorsitzender und noch länger aktiver Sänger der Liedertafel Günzlhofen, schaut stirnrunzelnd in den Sonnenuntergang, als er an das Altwerden in Hanshofen denkt. 100 Jahre will er werden („ich hab noch viel vor“), dennoch hat er Angst vor Vereinsamung, sollte er eines fernen Tages nicht mehr aus dem Haus können. „Ich liebe Gesellschaft“, sagt er, der viele Freunde in den Nachbarorten hat. Und dann lacht Innozenz Näßl sein fröhliches Lachen. „Bis dahin ist aber noch viel Zeit!“

 

Steckbrief:  Hanshofen

  • Lage:
    Zwischen Herrnzell und Mittelstetten und nördlich von Günzlhofen und Längenmoos, 527 Meter ü. NN
  • Koordinaten:
    48° 15 14 N, 11° 7 54 O | OSM
  • Erste Erwähnung:  
    1287 (Herkunft des Ortsnamens unbekannt vermutet wird der Schutzheilige Johannes als Namensgeber)
  • Archäologie:
    Untertägige spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Befunde im Bereich der Katholischen Kapelle St. Katharina
  • Aktuelle Einwohnerzahl:
    20 (Stand Januar 2022)
  • Anwesen:
    3 (Pferdehof, Spielgeräte, Landwirt)
  • Gemeindezugehörigkeit:
    Mittelstetten (seit 1818).
  • Kirche:
    Katholische Filialkirche St. Katharina, seit 1315 Pfarrgemeinde Günzlhofen, seit 2015 Pfarrverband Glonnauer Land. Besichtigung nur nach telefonischer Anfrage.
  • Busverbindung: Ruftaxi oder Linie 838/839/889 Günzlhofen und zu Fuß über die Hanshofener Straße bzw. Linie 839/889 Längenmoss und zu Fuß auf gleichnamiger Straße.